Jugendstil Herrenzimmer Riemerschmid Hellerau 1905
Ein stupendes außergewöhnliches Meublement aus der Privatsammlung des Geschäftsinhabers: ein komplettes 11 teiliges Herrenzimmer in Mooreiche, in dunklem Braun-Grau gebeizt, im typischen Riemerschmid Stil des Design Jugendstils.
Eine Referenz-Möbelgruppe - exzellent restauriert - aus dem Programm "Handgearbeitete Möbel" der Hellerauer Deutschen Werkstätten in Dresden.
Riemerschmid entwickelte aus seinen Entwürfen (1903) für das Präsidialzimmer für das sächsische Ständehaus in Dresden in Folge eine ganze Produktlinie von neuen Möbeln und schuf zahlreiche Varianten.
Charakteristisch für dieses Meublement sind die als Zierat eingelassenen spiralförmigen Intarsienornamente - elegant in Form eines kreisrunder Ausschnitts, welcher von einem quadratischen Ausschnitt unterbrochen und strukturiert wird. Die Intarsienbilder sind vielgestaltig, am jeweiligen Möbel ist keins wie das andere.
Ausführung: Das Bestell-Dokument von 1905 liegt vor. Die Hellerauer Möbelgruppe ist teilweise mit einer eingelassenen Medaille markiert, welche ein gespiegeltes großes R zeigt. Diese Plakette steht für das LOGO "Handgearbeitete Möbel" der Deutschen Werkstätten. Damit wurden nur Möbel ausgezeichnet, welche einem hohen Qualitätsanspruch in Hinblick Materialauswahl, handwerkliche Meisterschaft und zudem einem besonderen ästhetischen Anspruch genügen sollten.
Beschreibung: Große raumgreifende Möbelgruppe, das dunkel braun-grau gebeiztem Eichenholz ergibt eine gewisse Schwere; in der Gesamtwirkung entsteht durch Riemerschmids klare Formensprache und elegante Linienführung eine harmonische Komposition. Verbunden mit einer materialgerechten und qualitativ hochwertigen Verarbeitung der Hellerauer Werkstätten wird ein Bild von Solidität und bürgerlicher Gediegenheit erzeugt.
Zustand: Die Möbel sind fachkundig und hochwertig restauriert, ohne die Gebrauchsspuren und die Patina einer über hundertjährigen Nutzung zu verleugnen.
Bestand, Literatur und Maße:
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Bücherschrank (45)
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Pfeilerschrank rechts
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Pfeilerschrank links
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Tisch mit intarsierter Oberfläche (45) 6
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zwei Stühle (218) 7
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Schreibtisch (45) 1
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Armlehnstuhl für Schreibtisch
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Ruhesofa (12) 4 ohne Rückwand
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Standuhr
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Halbschrank
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Hocker
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Standuhr
Literatur:
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Richard Riemerschmid vom Jugendstil zum Werkbund (Monographie), W.Nerdinger, Prestel Verlag 1982, S.181
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Deutsche Werkstätten GMBH- Hellerau bei Dresden und München. 11. Auflage 1910. Handgearbeitete Möbel ,s.74 Herrenzimmer,S.75 Ruhesofa mit Rückwand, S. 76 Schreibtisch (45)1
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Katalog Deutsche WerkstättenHellerau, Berlin, Dresden, München, Hamburg, Hannover. Handgearbeitete Möbel, Dresden-Hellerau 3. Auflage
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https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05729263/rba_mfL011621_12
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Datensatz von:Rheinisches Bildarchiv Köln https://www.bildindex.de/document/obj05729263
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Fernsehbeitrag über den Bücherschrank vom Bayrischen Rundfunkt vom 18.05.2013 https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/kunst-und-krempel/schatzkammer/design/kunst-krempel-riemerschmid-schrank-106.html
unsere Meinung
Wohnen wie in einem Museum für angewandte Kunst. Eine hochwertige, sehr feine und qualitätsvolle Verarbeitung der Eichenholz-Möbel; trefflich von Substanz und Erhaltung - ein museales Spitzenmeublement des deutschen Jugendstils.
Weiteres Bildmaterial finden Sie unter R&R Herrenzimmer
Geschenk an das Grassi-Museum in Leipzig 2018
Das Riemerschmid-Zimmer ist in der Ausstellung des Grassi-Museums für angewandte Kunst in Leipzig zu besichtigen.
Richard Riemerschmid (1868 - 1957) - zur Person
Wegbereiter der Moderne - Architekt Designer Lehrer - Schlüsselfigur und Ikone des deutschen Jugendstils - Innenausstatter, Möbelentwerfer. Er war Mitbegründer des Deutschen Werkbunds und andere Organisationen; Erfinder der Typen- bzw. "Maschinenmöbel", die aufgrund der industriellen preisgünstigen Fertigung hohe Verkaufszahlen erzielten.
Ohne Einschränkung war Richard Riemerschmid Vorreiter und prägende Gestalt der deutschen Wohn- und Lebenswelt in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhundert.
Mit einem Blick erkennt man an Riemerschmid-Möbeln, welchem Zweck sie dienen sollen.
Aus der Zweckmäßigkeit für die Nutzung - der Funktion eben - ergibt sich für ihn die Formgestalt der Möbel.
Postulat: "DIE FORM FOLGT DER FUNKTION"
Eine weitere Neuerung wurde damals geradezu als revolutionär empfunden: Riemerschmid stellte die Konstruktionsmerkmale der Möbel offen dar. Verbindungen -wie Scharniere- wurden zur Dekoration und dem Betrachter offen, als schmückendes Element gezeigt. Verschraubungen wurden sichtbar. Für die Wirkung der Möbel ist ihm ferner das Material und dessen Bearbeitungsmöglichkeiten wichtig. Entgegen der damals vorherrschenden Mode, individualisierte raffiniert gestaltete, aus edlen Materialien gefertigte Objekte für die Oberschicht der Gesellschaft herzustellen, erzielte er die ästhetische Wirkung durch eine geschickten Anwendung der "Bilder" der Holzmaserung- also der Eigenstruktur der Hölzer. Zusätzlicher formgebender Zierat wurde für ihn entbehrlich.
Kommerzielle Vertriebsform - neu und historisch :
Bei dem von ihm entworfenen und 1906 aufgelegten „Maschinenmöbel–Progamm“ der Deutschen Werkstätten Hellerau wurden Möbelbauteile an die Kundschaft versandt und vor Ort wieder zusammengebaut. Der "Nachfolger" IKEA läßt grüßen!
Soziale Dimension:
Riemerschmid hat die Innovationen und die neuen technischen Möglichkeiten einer industriellen maschinellen Bearbeitung und Fertigung von Holzteilen Anfang des 20. Jahrhunderts rasch wahrgenommen.
Sein Anspruch war, auch mit der neuen Technik Möbel in Serie herzustellen zu können (eben"Maschinen-Möbel"), die hohen Ansprüchen an Ästhetik und Funktion genügen sollten. Darüber hinaus war es sein soziales Anliegen, mit einer maschinellen rationalisierten Fertigung vernünftige, qualitativ hochwertige Wohnungseinrichtungen zu moderaten Preisen anbieten zu können. Die Preisgestaltung sollte nämlich so sein, dass sich auch die normale Arbeiterschaft solche "Reform-Möbel" würde leisten können.
Eine „erzieherische, geschmackbildene“ Wirkung für die neu zu erschließende Kundschaft war dabei durchaus angestrebt.
VITA
geboren am 20. Juni 1868 in München/ 1886 bis 1887 Militär-Dienst/danach freier Kunstmaler in München/ Mitarbeiter der Zeitschrift Jugend/1887 bis 1890 Studium an der Akademie der bildenden Künste/ Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in München- erste Inneneinrichtungen/1902 Mitbegründer Deutsche Gartenstadtgesellschaft/1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes/ 1907 bis 1913 Leitung und Gesamtplanung der ersten deutschen Gartenstadt in Hellerau bei Dresden/ Ab 1913 Direktor der Kunstgewerbeschule in München/ 1926 bis 1931 Leiter der Kölner Werkschulen/ am 13. April 1957 in München verstorben.
Werk:
Auszug aus seinem Werkschaffen:
1899 Musiksalon auf der deutschen Kunstausstellung in Dresden
1900-1901 Schauspielhaus in München
1903 Ausstellung der Dresdener Werkstätten-
Orientierung an der maschinell-industriellen Fertigung von Mobiliar
-> „Reformmöbel“
1906 Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden -> "Maschinenmöbel-Programm"
1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes (Vorsitzender von1921 -1926)
1907 Gesamtplanung der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden
(unter Mitarbeit u.a.Hermann Muthesius, Heinrich Tessenow, Bruno Paul..)
1909 Folgeprojekt Gartenstadt Nürnberg
1913 Direktor der Kunstgewerbeschule München
1926 – 1931 Leiter der Kölner Werkschulen